Die Ursprünge von Vāstu: Harmonie und Balance in der Raumgestaltung

Die vedische Lehre des Vāstu ist nicht nur ein faszinierendes kulturelles Erbe, sondern auch eine der ältesten bekannten Methoden der Architektur und Raumgestaltung. Die moderne Wissenschaft bestätigt, dass die vedischen Schriften, auf denen Vāstu basiert, bereits um 800 v. Chr. schriftlich festgehalten wurden¹. Diese Erkenntnis unterstreicht die Authentizität und zeitlose Relevanz dieser Lehre.

Die Prinzipien von Vāstu bieten auch heute wertvolle Ansätze, um Räume harmonisch zu gestalten und unser Wohlbefinden zu fördern.

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Die vedischen Schriften: Fundament von Vāstu

Die vedischen Schriften, wie der Rigveda und der Atharvaveda, enthalten spirituelle Weisheiten und lassen sich um die Jahre 1000 bis 800 v. Chr. der Meschheitsgschichte einsortieren. Zuvor wurden Sie, laut Dr. Jeong-Soo Kim, Lehrstuhl für Vergleichende Sprachwissenschaft der Universität Würzburg, mündlich überliefert. Sie enthalten Offenbarungen von Weisen, Gesänge, Opfer- und Zaubersprüche.1

Es wird beschrieben, dass dieses Wissen zunächst mündlich überliefert wurde und so über Generationen die Grundlage für das umfassende Wissen der Veden darstellte. Vor ca. 5000 Jahren wurde dieses Wissen von Vedavyasa, einer Inkarnation Krsnas, schriftlich aufgezeichnet. Auf Grund der unfassbaren Größe des Veda (Wissens), wurde das eine Veda, in vier Veden (Shruti) gegliedert.

Wusstest du, dass sich die Struktur der komplexen Veden relativ simpel über die Analogie zu einem Haus erklären lässt?

Dr. Michael Mamas beschreibt die Struktur der Veden so:
Innerhalb eines Hauses befindet sich das reine Wissen – die vier Veden sowie die Mantras, Brahmanas, Upanishaden und Aranikas. Dieses Haus symbolisiert den Ort der Harmonie und des Absoluten, während die praktische Welt außerhalb liegt. Die Upavedas, darunter das Sthapatya Veda (Vāstu), dienen als Wege, um von Draußen zurück ins Haus zu finden.2

Und wie finden wir diesen Weg?

Dr. Mamas erklärt, dass die Upavedas – also Ayur Veda, Sthapatya Veda (Vāstu), Gandharva Veda und Dhanur Veda – als diese Wege (zurück ins Haus) dienen.3
Durch dieses Bild eines Hauses lässt sich Vāstu (Sthapatya Veda) klar einsortieren:
Die Vāstu-Schriften beschreiben einen der Wege hin zum reinen Wissen oder zur reinen Energie. Indem wir unsere Wohnräume nach Vāstu-Prinzipien gestalten, schaffen wir nicht nur harmonische Räume, die im Einklang mit kosmischen und irdischen Energien stehen und die Lebensqualität der Bewohnenden spürbar verbessern, sondern ebnen uns auch den Weg zurück ins Innere des Hauses – zur reinen Energie.


Die Welt des vedischen Wissens ist riesig, und mein Feuer wurde durch Vāstu entfacht – ein kleiner, aber faszinierender Teilaspekt dieses Schatzes. Wie groß die Welt der Sthapatya Veda ist, zeigt ein Blick in meinen Bücherschrank: Alleine die beiden Texte Mayamatam und Mānasāra umfassen zusammen 106 Kapitel und einen Zusatzband nur für zahlreiche Illustrationen.

Wie Mayamatam und Manasara die Prinzipien von Vāstu greifbar machen

Dr. V. Ganapati Sthapati4 beschreibt die Schriften Mayamatam und Mānasāra als bedeutende Werke der vedischen Architektur. Sie behandeln Themen wie die Planung von Gebäuden, harmonische Proportionen, die Ausrichtung im Einklang mit kosmischen Prinzipien und die Integration von Geometrie und Symbolik.
Er hebt hervor, dass diese Schriften ein tiefes Verständnis der Beziehung zwischen Raum, Energie und den Bewohnenden ermöglichen und die vedischen Prinzipien in die Praxis der Architektur übersetzen.5

Diese vedischen Schriften gehören also zu den ältesten bekannten Wissensquellen der Menschheit und zeigen, wie tief verwurzelt das Verständnis von Raum und Energie in der vedischen Kultur ist.


Einheit von Makro- und Mikrokosmos

Ein zentraler Gedanke der vedischen Tradition ist die Einheit von Makro- und Mikrokosmos. Diese Idee zieht sich durch alle Prinzipien von Vāstu: von der idealen Ausrichtung eines Gebäudes nach den Himmelsrichtungen bis hin zur bewussten Integration der fünf Elemente.

Ein Raum, der nach den Prinzipien von Vāstu gestaltet ist, spiegelt die Ordnung des Universums wider. Durch die bewusste Gestaltung von Räumen nach diesen Prinzipien können wir eine harmonische Verbindung zu unserer Umgebung schaffen und unser Wohlbefinden steigern.

Die moderne Quantenphysik zeigt, dass alles um uns herum Energie ist und in Schwingung versetzt wird. Während konkrete wissenschaftliche Studien zu den Schwingungen von Räumen und deren Wirkung auf Menschen noch ausstehen, gibt es interessante Parallelen zur Resonanztheorie, die beschreibt, wie Schwingungen aufeinander abgestimmt sein können.

In den Vāstu-Schriften wird beschrieben, dass ein Gebäude beginnt zu schwingen, sobald ein freier Raum durch Wände begrenzt wird. Diese Schwingung ist abhängig von den Dimensionen des Raumes und der mathematischen Ordnung, nach der er gestaltet wurde.
Gleichzeitig wird erklärt, dass jeder Mensch eine individuelle Schwingung besitzt, die durch den sogenannten Mondstern (Nakshatra) bestimmt werden kann. Um das Wohlbefinden und die Harmonie der Bewohnenden zu fördern, sollten die Schwingung des Gebäudes und die individuelle Schwingung der Menschen aufeinander abgestimmt sein. Nur so kann ein Raum entstehen, der nicht nur funktional ist, sondern auch das körperliche, geistige und spirituelle Wohlbefinden unterstützt.


Räume als lebendige Organismen

Nach Vāstu sind Räume mehr als physische Strukturen – sie sind lebendige Organismen, die in Resonanz mit den Bewohnenden treten. Die energetische Qualität eines Raumes wird durch seine Ausrichtung, die verwendeten Materialien und die Platzierung der Möbel beeinflusst.

Das Konzept des Vāstu Purusha Mandala, ein 9×9 Raster, bietet hier eine klare Grundlage. Es dient nicht nur als energetischer Leitfaden, sondern stellt sicher, dass die Energieflüsse optimal unterstützt werden. Dieses Raster ist nicht auf bestimmte Kulturen oder Baustile beschränkt, sondern bietet eine universelle Grundlage für die Gestaltung von Räumen auf der ganzen Welt – egal ob auf der Nord- oder Südhalbkugel oder auf jedem Kontinent.


Die Grundprinzipien von Vāstu

Das Vāstu Purusha Mandala

Das Vāstu Purusha Mandala ist ein energetisches Raster, das die Grundlage für die Raumaufteilung bildet. Es dient dazu, harmonische Zonen für verschiedene Lebensbereiche zu schaffen und die Energieflüsse optimal zu unterstützen.

Prana – Die Lebensenergie

Prana, die universelle Lebensenergie, ist unerschöpflich und strömt kontinuierlich in jeden Raum ein. Die Herausforderung liegt nicht darin, die Energiezufuhr sicherzustellen, sondern dafür zu sorgen, dass sie sich harmonisch verteilt und die Balance der fünf Elemente unterstützt.

Die fünf Elemente

Die Elemente Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther prägen die Gestaltung nach Vāstu. Jedes Element bringt seine eigene Qualität in den Raum ein und beeinflusst das Wohlbefinden der Bewohnenden.

Ein Beispiel: Ein Schlafzimmer im Südwesten profitiert von erdigen Farben und stabilen Möbeln, während ein Arbeitszimmer im Nordwesten Leichtigkeit und Bewegung fördern sollte. Diese Gestaltung bezieht sich auf die Himmelsrichtung, in der sich die Räume befinden, und sorgt für Harmonie und Balance.


Die praktische Umsetzung von Vāstu für deine bestehenden Räume

Auch wenn ein Gebäude nicht nach Vāstu-Prinzipien geplant wurde, gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die Energieflüsse zu optimieren und Harmonie zu schaffen.

Praktische Tipps:

  1. Sauberkeit und Ordnung schaffen: Ein aufgeräumter Raum fördert die Klarheit des Geistes und sorgt dafür, dass Prana ungehindert fließen kann.

  2. Farben gezielt einsetzen: Verwende Farben, die den Elementen entsprechen: Erdige Töne im Südwesten fördern Stabilität, während helle Blautöne im Nordosten die Energie des Wasserelements unterstützen.

  3. Möbel richtig platzieren: Große Möbelstücke sollten nicht die Mitte eines Raumes blockieren, um den Energiefluss nicht zu behindern.

  4. Objekte integrieren: Spirituelle Symbole oder Objekte wie Kerzen, Statuen oder Bilder schaffen eine einladende Atmosphäre und unterstützen die feinstofflich-energetische Qualität des Raumes.

  5. Blockaden lösen und Balance schaffen: Dunkle Ecken können durch sanftes Licht harmonisiert werden, und klare Linien in der Gestaltung fördern den freien Fluss der Energie.

    Und hej – last but not least –
  6. Respekt und Schönheit: Achte dein Zuhause, behandle es respektvoll und mach es schön, nach deiner Vorstellung von Ästhetik.

Farbdesign einer modernen Boho-Küche mit angeschlossenem Terrassengrill nach Vāstu.

Einladung: Dein Zuhause harmonisieren mit Vāstu

Möchtest du mehr über die historische Bedeutung und praktische Anwendung von Vāstu erfahren? Ich lade dich herzlich zu meinem Vortrag ein:

„Vāstu – Mit der indischen Raumlehre dein Zuhause harmonisieren“

📅 Am: 25. März 2025
🕒 Um: 19:00 Uhr
📍 Ort: Online über die Fortuna Mundi Akademie

Warum du teilnehmen solltest:

  • Lerne, wie du die Balance der fünf Elemente in deinen Räumen herstellst.
  • Erhalte praktische Tipps, die du sofort umsetzen kannst.
  • Erfahre, wie Vāstu mit Ayurveda und der Geomantie zusammenspielt.

👉 Hier klicken, um dich anzumelden!

Verwandle dein Zuhause in einen Ort der Kraft und Harmonie – mit den zeitlosen Prinzipien von Vāstu.


Fazit

Die vedischen Schriften, insbesondere die Vāstu-Lehre, zeigen uns, wie tief verwurzelt das Verständnis von Raum und Energie in der menschlichen Kultur ist. Sie erinnern uns daran, dass unsere Umgebung nicht nur gebaut, sondern bewusst gestaltet werden sollte – im Einklang mit den Energien, die uns umgeben.

Vāstu ist mehr als nur Architektur; es ist eine Brücke vom Leben zur reinen Energie. Es verbindet die universellen Prinzipien von Harmonie und Energie mit der praktischen Gestaltung unserer Räume. Indem wir diese Prinzipien in unsere Umgebung integrieren, schaffen wir nicht nur ästhetische und funktionale Orte, sondern auch Räume, die uns mit der universellen Energie verbinden. Diese Verbindung kann uns helfen, bewusster zu leben, unsere innere Balance zu finden und den Alltag mit mehr Leichtigkeit und Freude zu meistern.

Ein nach Vāstu-Prinzipien gestalteter Raum ist mehr als ein Ort zum Wohnen oder Arbeiten – er wird zu einem lebendigen Organismus, der mit uns in Resonanz tritt. Diese Resonanz fördert nicht nur Gesundheit und Wohlstand, sondern auch unser spirituelles Wachstum. Vāstu bietet die Möglichkeit, Räume zu schaffen, die unsere Lebensqualität spürbar verbessern und uns helfen, in Einklang mit den Energien der Erde und des Kosmos zu leben.

Lassen wir uns von der Weisheit der vedischen Schriften inspirieren, um bewusste Räume zu gestalten – Räume, die nicht nur unsere äußere Umgebung, sondern auch unser inneres Selbst bereichern. Denn letztendlich ist jeder Raum, den wir gestalten, ein Spiegel unseres Bewusstseins und ein Weg, uns selbst und die Welt um uns herum besser zu verstehen.


Wie immer hoffe ich, dir mit diesem Artikel wieder Inspiration gewesen zu sein. Lass mich wissen was dich fasziniert oder verwundert hat: Kontakt.

Gruß von Herzen,
Deine Kim


  1. Quelle: Zur Niederschrift kam es erst zwischen 1100 und 800 vor Christus. Die ältesten Texte sind der Rigveda und Atharvaveda. idw-online.de ↩︎
  2. Quelle: Dr. Michael Mamas, The Structure of the Veda, drmichaelmamas.com. ↩︎
  3. Quelle: Dr. Michael Mamas, The Structure of the Veda, drmichaelmamas.com↩︎
  4. Dr. V. Ganapati Sthapati war ein weltweit anerkannter Architekt und Gelehrter der Vāstu-Lehre sowie Lehrer meines Vāstu-Lehrers Marc Lüllmann (Vastu Academy, CH) ↩︎
  5. Quelle: Dr. V. Ganapati Sthapati, Vastuved. ↩︎